Corona findet statt! Ostern? Findet statt!

Seit Wochen schwebt über jedem Termin die Frage: Kann das für den Mai oder Juni Geplante stattfinden oder wird das immer noch nicht möglich sein? Wie lange noch? Unerbittlich hat ein Rotstift unsere Planungen durchkreuzt, Grund für dieses Streichkonzert ist das Coronavirus. An ein gemächlicheres Tempo ohne viele Termine gewöhnt man sich, das würde sogar guttun, wären die Bremsen nicht durch diese bedrohliche Krankheit angezogen worden.

An vermehrte Todesfälle, liebe Menschen, die nur im engsten Kreis beigesetzt werden dürfen werden wir uns aber nicht gewöhnen. Auch nicht an eine drohende Arbeitslosigkeit, Existenzängste oder vermehrte Einsamkeit durch das notwendige «bleiben Sie zu Hause».

Ich staune und bin dankbar, wie gleichzeitig immer stärker eine positive Grundhaltung grosser Solidarität und Hilfsbereitschaft durch die Schweiz geht. Menschen trauern, leiden, haben Angst, dagegen gibt es unzählige, kraftvolle und fantasievolle Initiativen um jetzt erst recht Mitmenschlichkeit zu leben.

In einem Brief wurde mir die Frage gestellt: «Ist die Corona-Krise eine Chance für die Kirchen?». «Ja, ist meine überzeugte Antwort! Dann wenn der Einsatz der Kirchen in dieser belasteten Zeit eine Chance für den Menschen wird. Ich erachte es als Geschenk, dass in all den Erfahrungen von Leiden, Angst und Schmerz Karwoche und Ostern gefeiert wird, auf anderen Wegen als sonst, aber weder abgesagt noch mit Verschiebedatum.

Die «höhere Agenda», welcher diese besonderen Tage folgen, öffnet uns für eine Wirklichkeit, die uns Hoffnung und Zuversicht schenkt. Mit der Feier des Osterfestes bezeugen wir, dass der Tod nicht zerstört, sondern wandelt. Jesus braucht dafür das Bild vom Weizenkorn, das in der Erde sterben muss, um Frucht zu bringen.

Wenn wir die Ostergeschichten in den Evangelien der Bibel betrachten, wird uns bewusst, wie sehr sogar die engsten Freunde von Jesus um diesen Glauben ringen mussten. Auf das leere Grab hatten sie keine Antwort. Erst eine lebendige, persönliche Begegnung mit dem Auferstandenen löste ihre Trauerstarre. «Er lebt, wir sind ihm begegnet», «Er hat uns das Brot gebrochen», «Wir sahen ihn, und dann sahen wir ihn nicht mehr» sind Erfahrungen seiner Jüngerinnen und Jünger, die diese zu mutigen «Zeugen» machten. Sie trugen die Botschaft weiter in die ganze Welt – bis zu uns.

Jetzt feiern wir diese Botschaft der Hoffnung mitten in der Herausforderung einer Pandemie. Für viele bedeutet es ein schmerzlicher Verzicht, dieses Jahr auf festliche Gottesdienstfeiern in Gemeinschaft verzichten zu müssen. Doch Ostern findet statt!

Das Fest wird zur Aufgabe wie zur Chance für die Kirchen dort, wo unser Einsatz den Menschen dient. Die Sorgfalt und Achtsamkeit, mit der Seelsorgende und viele Freiwillige in unseren Pfarreien Mitmenschen begleiten, sind österliche Hoffnungszeichen. Entschleunigung, Beziehungen neu erfahren, Sensibel werden für kleine Aufmerksamkeiten sind Balsam für unser Miteinander. Ich wünsche uns den Mut, Ostern als Begegnung mit dem Auferstandenen zu erfahren – in der Stille, im Meditieren eines Psalmgebetes, im persönlichen Mitfeiern eines Gottesdienstes über Radio, livestream oder Fernsehen – und vor allem im Mitmenschen, der uns braucht.

Ostern findet statt – auch im «Gottesdienst des Alltags», eine Telefongespräch, ein Einkaufsdienst, eine Aufmunterung, jedes Zeichen das anderen vermittelt: «Du bist nicht allein». Darin Beziehungen weiter zu pflegen und auch Formen zu finden miteinander zu beten liegt die Aufgabe und die Chance der Kirchen. So werden Glaube, Hoffnung und Liebe zu tragendem Halt und zur österlichen Erfahrungen: «ER lebt. Ich bin ihm begegnet». Zu solchem Dienst schenke Gott uns allen Kraft und seinen Segen. Ich wünsche Ihnen allen ein Frohes Osterfest, «Bleiben Sie gesund».

Mit herzlichen Segenswünschen, Markus Büchel, Bischof von St.Gallen